Dieser Fachartikel erschien zuerst im DOK.magazin 5-2020, am 01. November 2020.
Produktionsscanner legen die Grundlage für durchgängige digitale Geschäftsabläufe. Sie überführen große Mengen papierbasierter Informationen schnell und weitestgehend automatisiert in elektronische Workflows. Um diese Aufgabe zuverlässig zu bewältigen, bedürfen sie bestimmter Eigenschaften und Funktionalitäten. Diese definieren in ihrer Summe das Leistungsvermögen. Idealerweise kommunizieren die Hersteller der am Markt verfügbaren Geräte diese Leistungswerte einheitlich: also im selben Wording und in denselben Einheiten. Denn nur so lassen sich die unterschiedlichen Modelle vergleichen und bestimmten Produktkategorien zuordnen. Tatsächlich tun die Hersteller das aber nicht. Das führt dazu, dass Kunden und Hersteller derzeit oft nicht die gleiche Sprache sprechen.
Perfekt wird die Sprachverwirrung, wenn die Hersteller ihre Produktionsscanner mit wohlklingenden aber wenig aussagekräftigen Attributen wie “Hochgeschwindigkeitsscanner” oder “Höchstleistungsscanner” etikettieren. Denn die oft noch gebräuchliche Scan-Geschwindigkeit als Richtwert hilft mit Blick auf die heutigen Angebote wenig weiter und erweist sich für Kunden mitunter als irreführend, denn in den letzten Jahrzehnten sind die Anforderungen an Produktionsscanner stark gestiegen.
Im Fokus: Unterschiedliche Belege in großer Menge
Zwei Anwendungen stehen dabei im Mittelpunkt: der Posteingangs-Scan und die Archiv- und Aktendigitalisierung. Beim Posteingangs-Scan müssen unterschiedlichste Dokumenttypen regelmäßig innerhalb weniger Stunden in digitale Prozesse überführt werden. Hierbei werden bei großen Unternehmen nicht selten pro Tag Tausende von Vorgängen elektronisch erfasst – das entspricht Zehntausenden von Seiten. In der Archiv- und Aktendigitalisierung gilt es, große Mengen an Dokumenten in einem definierten Zeitraum elektronisch zu erfassen – historische Akten aus dem letzten Jahrhundert inbegriffen. Der Zustand der Dokumente stellt hier also eine große Herausforderung dar.
Beide Anwendungsbeispiele zeigen, dass die Scan-Geschwindigkeit als Kriterium für die Leistungsfähigkeit von Produktionsscannern nicht ausreichen kann. Vielmehr muss der Fokus auf der Fähigkeit des Scanners liegen, eine große Menge an stark unterschiedlichen Belegen in einem bestimmten Zeitraum in hoher Qualität sowie sicher und unterbrechungsfrei einzuscannen.
Angaben wie Geschwindigkeit und Preis liefern hierfür entgegen der unter Anwendern weitverbreiteten Meinung keine erste Orientierung bei der Produktsuche. Dieser Ansicht ist auch Scanner-Experte Frank Schuler von der InoTec GmbH Organisationssysteme. Im Gespräch mit dem DOK.magazin erläutert er, warum die Orientierung an Scan-Geschwindigkeiten in die Irre führt und warum geringe Scanner-Preise hohe Kosten verursachen.
Herr Schuler, Sie plädieren dafür, aussagekräftigere Kriterien und Eigenschaften für die Unterscheidung von Produktionsscannern zu definieren als die Scan-Geschwindigkeit?
Ja, und das schon allein deshalb, weil Hersteller in vielen Fällen unterschiedliche Einheiten verwenden. Hinzu kommen undurchsichtige Abkürzungen und Übersetzungsungenauigkeiten. Beispielsweise steht die Bezeichnung „ppm“ für „Blatt pro Minute“, wird aber teils auch für „Seiten pro Minute“ verwendet. Hier wird der englische Begriff „Pages“ jeweils unterschiedlich ins Deutsche übertragen. Eine Geschwindigkeit von 200 ppm könnte 200 Seiten pro Minute meinen. Umgerechnet sind das aber nur 100 Blatt pro Minute, denn ein Blatt hat immer zwei Seiten. So kann es schnell passieren, dass angegebene Geschwindigkeiten zu hoch interpretiert werden. Noch verwirrender ist die Angabe „ipm“, Images pro Minute. Scanner mit Multistreaming-Funktion können sechs und mehr Bilder (Images) pro Blatt liefern. Das ändert aber nichts daran, dass eben nur ein Blatt gescannt wird.
Welches Kriterium können Anwender dann heranziehen, um die Leistungsfähigkeit von Produktionsscannern zu bewerten?
Entscheidend in der Praxis ist der erzielte Durchsatz: also das Produkt der beiden Faktoren Geschwindigkeit und Laufzeit. Ein Produktionsscanner mag kurzfristig eine besonders hohe Transportgeschwindigkeit bieten, aber was ist mit Papierstaus, schlecht lesbaren Belegen oder hohem Wartungsbedarf? Wichtig ist die Fähigkeit des Geräts, über Stunden oder ganze Schichten hinweg unterbrechungsfrei zu arbeiten. Nur so kommen hohe Scan-Geschwindigkeiten zum Tragen.
Welche Eigenschaften bieten Produktionsscanner mit hoher Ausdauer und folglich hohem Durchsatz?
Hohe Durchsatzraten setzen einen störungsfreien Papierfluss voraus. Mit einem sicheren Dokumenteneinzug und einem papierschonenden Bandtransport lassen sich auch stark unterschiedliche Belege zuverlässig verarbeiten. Damit übersehene Heft- und Büroklammern das Gerät nicht schädigen, setzen einzelne Hersteller ein besonders kratzresistentes Spezialglas ein. Ebenfalls wichtig: Dass sich der Anwender im Fall der Fälle auf einen gut erreichbaren und kompetenten Service in der Landessprache verlassen kann. Eine weitere ausschlaggebende Eigenschaft für echten Produktionsscan ist eine hohe Bildqualität. Je besser die Bildqualität, desto weniger Re-Scans sind notwendig. Zusätzlich steigert eine hohe Bildqualität die Prozesseffizienz nachgelagerter Prozesse wie beispielsweise OCR-Anwendungen.
Wie lässt sich die Bildqualität eines Scanners beurteilen?
Entscheidend für ein gutes Bild ist nicht die hohe Auflösung allein, sondern Kamera, Optik und Beleuchtung im Verbund. Alle drei Komponenten müssen hochwertig und optimal aufeinander abgestimmt sein. Produktionsscanner optimieren zudem das erfasste Bild direkt im Gerät. Wichtige Funktionen dabei sind das Geraderücken der Belege, die Helligkeits- und Kontrastbearbeitung oder das Entfernen schwarzer Ränder. Für die Qualitätsbeurteilung digitaler Images gibt es international gültige Richtlinien und Standards. Im europäischen Raum legt die ISO-Norm 19264-1 die entsprechenden Referenzwerte für eine hohe Bildqualität fest, und erst wenige Hersteller erfüllen diese Vorgaben. Anwender können diese mit Hilfe von Test-Charts umfassend verifizieren.
Welche weiteren Kriterien sind für den Vergleich von Produktionsscannern wichtig?
Ergonomische Aspekte und hohe Usability ermöglichen ein produktives Arbeiten auch über längere Zeiträume und schützen die Gesundheit der Scanoperatoren. Zum Standard gehören mittlerweile auch Touchscreens am Gerät. Diese dienen der einfachen, intuitiven Kommunikation zwischen Scanoperator und Scanner, liefern idealerweise leicht verständliche Piktogramme und eindeutige Volltextmeldungen und reagieren auf Smartphone-übliche Tipp- und Wischgesten.
Welche Orientierungshilfe können Sie Anwendern beim Thema Preis geben?
Rücken Sie die Gesamtbetriebskosten in den Mittelpunkt. Diese enthalten Kosten für Verschleiß- und Ersatzteile sowie die Lebensdauer der eingesetzten Komponenten und berücksichtigen die Wartungsfreundlichkeit des Scanners. Ein Scanner mit niedrigen Gesamtbetriebskosten ist zudem so konstruiert, dass seine Ausstattung an wachsende Anforderungen angepasst werden kann. Diese Upgrade-Fähigkeit geht über die Scan- Geschwindigkeit hinaus. Sie umfasst auch neue Funktionen und Technologien, die sich entweder durch Komponentenaustausch oder durch Software-Updates nachrüsten lassen.
Ist “Made in Germany” nach wie vor ein Kriterium bei der Kaufentscheidung?
Unbedingt. “Made in Germany” ist ein Qualitätsversprechen, das sich in innovativer Technik, hochwertigen Komponenten und einer langen Lebensdauer niederschlägt. “Made in Germany” bedeutet aber auch gesicherte Lieferketten und schnell erhältliche Ersatzteile. Somit ist die Verfügbarkeit der Scanner sichergestellt. Last but not least garantiert “Made in Germany” eine umwelt- und sozialverträgliche Produktion.
Alle diese Kriterien und Eigenschaften zeigen doch: Den richtigen Produktionsscanner zu finden, ist eine komplexe Aufgabe …
In der Tat. Darum pflegen wir eine umfassende „Entscheidungsmatrix“, in die wir unsere Erfahrungen einbringen. Diese Matrix umfasst bereits weit über 100 Fragen, auch solche, die der Anwender für gewöhnlich nicht auf dem Schirm hat, die ihm aber dabei helfen, seinen individuellen Bedarf zu eruieren und herauszufinden, welche Werte und Kennzahlen für seine Kaufentscheidung tatsächlich relevant sind.
Verraten Sie uns einige Aspekte aus dieser „Entscheidungsmatrix“?
Grundlegende Fragen sind unter anderem: Wie sieht das Belegmaterial aus? Welches Format und welche Papierstärke weist es auf? Befinden sich handschriftliche Notizen darauf? Wie gut sind die Belege vorbereitet? Wie viel Scan-Personal, Standfläche und Zeit stehen zur Verfügung? Welche nachgelagerten Prozesse – wie zum Beispiel OCR – sind geplant? Und wie hoch ist das Jahresbudget? Ein Beispiel für eine wohl überraschendere Frage wäre die nach den vorherrschenden klimatischen Bedingungen: Denn auch die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit im Scan-Raum spielen für die optimale Kaufentscheidung eine Rolle. Wir planen, dem Markt unsere Matrix im kommenden Jahr frei verfügbar zu machen. Unabhängig davon ist die in jedem Fall richtige Empfehlung zum Produktionsscanner-Kauf: Vereinbaren Sie eine Teststellung. Das härteste Pfund für Bewertung und Entscheidung ist immer noch der Live-Betrieb.
Herr Schuler, haben Sie vielen Dank für diese detaillierten Informationen!
Frank Schuler ist Head of Sales Germany bei der InoTec GmbH Organisationssysteme. Das Unternehmen mit Sitz in Wölfersheim optimiert die Geschäftsprozesse seiner Kunden weltweit mit hochverlässlichen Produktionsscannern “Made in Germany”. Die InoTec Scanner kommen überall dort zum Einsatz, wo große Mengen an Belegen produktiv und sicher gescannt werden müssen.
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